Blutgefäßverschlüsse im Auge:

Was ist ein Gefäßverschluß im Auge ?

Man unterscheidet 2 Sorten von Blutgefäßen:

  • Die Arterien transportieren das sauerstoffreiche Blut mit den Blutkörperchen und Nährstoffen zu und in die Organe.
  • Die Venen transportieren das "verbrauchte" sauerstoffarme Blut mit den Abfallstoffen aus und von den Organen weg.

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Schema einer vom Herzen kommenden Arterie mit verklumpenden Blutkörperchen (Thrombus): depositphotos.com

Wenn in der Netzhaut des Auges ein Blutgefäß “verstopft”, kann es zu Sehverschlechterungen bis zur Erblindung kommen. Man spricht dann von einem Gefäßverschluss.

Unterschieden werden 2 Hauptgruppen von Gefäßverschlüssen:

  • Verschlüssen von Venen, auch Thrombosen genannt
  • Verschlüsse von Arterien, in den meisten Fällen Infarkte genannt

Umgangssprachlich würde man beim Venenverschluß wohl von "Augenthrombose" und beim Arterienverschluss von "Schlaganfall im Auge" sprechen.

1. Verschlüsse von Venen:

Nach der Zuckerkrankheit als “Spitzenreiter”, sind venöse Gefäßverschlüsse die zweithäufigste Ursache für Schäden in den Blutgefäßen der Augen und davon gefolgtem Sehabfall.

Was passiert da ?

Das Blut wird zu “dick”, gerinnt und verstopft eine Vene. Die sogenannte Thrombose findet statt. Da Venen die Blutgefäße sind, die das Blut aus dem Organ wieder abtransportieren, gibt es vor dem Verschluß einen “Stau” und Überdruck. Die Blutgefäßwände werden beschädigt und Blut tritt aus den Blutgefäßen in das umgebende Gewebe aus. Im Fall des Auges verstopfen die Netzhautvenen und es blutet in die Netzhaut. Diese bekommt dort nicht mehr genug frischen Sauerstoff, da das verbrauchte Blut nicht mehr abfliessen kann und frisches nicht mehr nachkommt. Die Netzhaut wird durch “Untervorsorgung” (Sauerstoffmangel) geschädigt und “verweigert an den betroffenen Stellen den Dienst” vorübergehend oder dauerhaft. Man unterscheidet Venenastverschlüsse (s.Bild unten), bei denen nur ein einzelner Ast im Auge betroffen ist und nur ein Teil der Netzhaut geschädigt wird, von Zentralvenenverschlüssen, bei denen die ganze Netzhaut betroffen ist, da die Hauptvene für den ganzen Abfluß aus dem Auge verstopft ist.

Verschluß einer Vene im Auge

Bild eines Venenastverschlusses: Oben sieht man links als gelben Fleck den Sehnervenkopf und aus seiner Mitte die austretenden Blutgefäße (Arterien und Venen, vergleiche Netzhautbild). Eine Vene ist jetzt verstopft (Bereich des besonders dunklen roten Fleckes). Durch Stau, der mangels Abflußmöglichkeit besteht, tritt Blut aus den Gefäßen vor der Thrombose aus und fließt in die Netzhaut (der gesamte fleckig rötliche Bezirk auf dem Bild). In diesem Bereich ist das Sehen stark eingeschränkt und die Netzhaut wird geschädigt.

Als Komplikationen im weiteren Verlauf kann es zu Gefäßwucherungen (Neovaskularisationen) aus der zerstörten Netzhaut kommen. Diese können zu einer Einblutung in den Glaskörper (Glaskörperblutung) mit einer weiteren Verschlechterung des Sehens führen. Auch Netzhautschwellungen (Netzhautödeme, insbesondere des Netzhautzentrums, sogenannte Makulaödeme) oder gar ein Grüner Star können das Sehvermögen weiter beeinträchtigen.

Wie häufig ist das ?

Venenthrombosen am Auge betreffen 1-2% der Bevölkerung über 40 Jahre. Die Häufigkeit des Zentralvenenverschlusses bei unter 60-jährigen beträgt 0,7%, das sind 411.000 Patienten im Jahr in Deutschland. Über 80 Jahre beträgt die Häufigkeit 4,6%, das sind mehr als 210.000 Patienten.

Was ist die Ursache ?

Zu dickes Blut bei Leukämie, Veränderungen der Blutgefäßwände durch einen hohen Blutfettspiegel (liegt bei bis zu 60% vor) oder die Zuckerkrankheit (bei bis zu 34%), Druck auf die Venen durch hohen Augeninnendruck (15% der Fälle, 2-8% aller Patienten mit Grünem Star bekommen eine Thrombose im Auge) und am häufigsten, nämlich in 75 % der Fälle liegt ein zu hoher Blutdruck vor. Im Fall des hohen Blutdrucks drückt an einer Kreuzung von Arterie und Vene, die pralle Arterie die Vene ab und es kommt zu Stau und Blutgerinnung, also einer Thrombose. Die Wahrscheinlichkeit gegenüber einem gesunden Patienten eine Thrombose im Auge zu erleiden ist 5-fach erhöht. Neuere Studien zeigen auch ein deutlich häufigeres Auftreten von Venenverschlüssen im Auge bei der sogenannten Schlafapnoe (Atemaussetzer beim Schlafen). Die Kombination mit Grünem Star oder Bluthochdruck vervielfacht das Risiko noch. Insgesamt selten aber bei dieser Erkrankung mit 3-fach erhöhtem Risiko kommen Venenverschlüsse der Netzhaut bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes, einer der häufigeren Autoimmunerkrankungen, vor.

Wie merke ich das ?

Bei geringer Ausdehnung (Venenastverschluss, siehe obiges Bild) der betroffenen Netzhautfläche merke ich evtl. nichts oder habe nur den Eindruck irgendwo “fehlt ein Stück” nach der Seite. Bei starker Ausdehnung ist die obere oder untere Hälfte des Gesichtsfeldes (Hemizentralvenenverschluss) bzw. sogar das ganze Gesichtsfeld (Zentralvenenverschluss) an einem Auge plötzlich stark im Sehen eingeschränkt. Die oben erwähnten Komplikationen können nach Monaten zu weiteren Sehverschlechterungen oder zu starken Schmerzen führen.

Was kann man tun ?

Tritt eine plötzliche Sehverschlechterung auf, sollte man ja prinzipiell gleich zum Augenarzt gehen (siehe auch unter Beschwerden).

  • Es wird versucht durch Blutverdünnung (Hämodilution) die Folgen zu dämpfen. Eine Erholung des Sehens tritt jedoch - wenn überhaupt - nur sehr langsam und kaum je vollständig ein.

  • Seit langem anerkannt ist die Laserbehandlung der Netzhaut zur Verhütung von Blutungen in das Auge und eines Grünen Stars im weiteren Verlauf. Dieser durch Gefäßwucherungen entstehende Grüne Star (Neovaskularisationsglaukom) ist die häufigste Ursache in der westlichen Welt, ein Auge entfernen (Enukleation) zu müssen ! Der Grund in diesen glücklicherweise seltenen Fällen ist hier der unerträgliche, anders nicht behandelbare Schmerz.

  • Neu (seit Mitte 2010) ist ein Implantat (Ozurdex®) in das Auge (wird unter örtlicher Betäubung mit einer Spritze eingeführt, s. intravitreale Injektion) das gleichmäßig über Monate Kortison abgibt und bei guter Wirksamkeit gegen zentrale Netzhautschwellungen nebenwirkungsärmer ist, als andere bisher verwendete Anwendungsformen von Kortison (s.u.).

  • Seit 2011 sind auch Gefäßwucherungshemmer (VEGF-Inhibitor) - die sonst bei der Makulopathie eingesetzt werden - als Spritze in das Auge (intravitreale Injektion) zugelassen. Sie haben sich zur Standardtherapie bei Venenverschlüssen mit zentralen Schwellungen entwickelt.

  • Das einzige operative Verfahren - mit dem aber noch keine langen Erfahrungen vorliegen - das bisher nachgewiesenermaßen Sehverbesserungen erzielen konnte, ist die Radiäre Optikoneurotomie , kurz RON. Hierbei werden bei Zentralvenenthrombosen in einer aufwendigen Operation (Vitrektomie) im Auge am Sehnervenkopf kleine Schnitte durchgeführt, die die Durchblutung fördern sollen.

  • Weitergehende Verfahren mit Gabe von Blutgerinnsel auflösenden (tPA) oder abschwellenden (Kortison als Triamcinolon oder Dexamethason) Substanzen in das Auge, sind nur in speziellen Fällen (z.B. bei zentralen Netzhautschwellungen = Makulaödem) aber nicht generell geeignet. Sie sind auch teilweise sehr nebenwirkungsreich. spätestens nach 4 Spritzen mit Triamcinolon (ein Cortisonpräparat) kommt es in 100% der Patienten zu einem vorzeitigen Grauen Star. Sie werden zunehmend zugunsten der neueren Verfahren (s.o.) verlassen.

Zusammenfassend muß man sagen, nur durch genaue und regelmäßige Diagnostik (u.a. Netzhautuntersuchung, Angiographie, OCT) kann man den passenden Zeitpunkt für die richtige Art der Therapie beim Venenverschluß im Auge finden, um so wenigstens das Schlimmste verhindern zu können, denn den Originalzustand wird man nur selten wieder herstellen können.

2. Verschlüsse von Arterien:

Verschlüsse von Arterien sind aus Patientensicht noch dramatischer. Hier ist es quasi so, als wenn jemand “plötzlich das Licht ausmacht”.

Was passiert da ?

Es tritt eine plötzliche, schmerzlose Verstopfung einer Blut und Sauerstoff zuführenden Arterie zum Auge (Zentralarterienverschluss) oder eines einzelnen Arterienastes (Arterienastverschluß) in einem Auge auf. Als Folge ist eine einseitige und meist ausgeprägte Sehverschlechterung mit Gesichtsfeldausfall typisch. Vergleichbar ist dies mit der Situation am Herzen beim Herzinfarkt. Die Netzhaut erleidet einen Infarkt, d.h. sie stellt ihre Funktion aufgrund von Sauerstoffmangel komplett (Zentralarterienverschluss) oder in Teilbereichen (Arterienastverschluß) ein. Man könnte es alternativ auch Schlaganfall im Auge nennen, wie der Verschluß von Blutgefäßen im Gehirn, bei denen auch ein Teil des Gehirns ausfällt. Dauert der Verschluß der Arterie mehrere Stunden und ist komplett, stirbt die gesamte betroffene Netzhaut ab. Glücklicherweise ist er häufig nicht ganz komplett und eine minimale Restdurchblutung verhindert die absolute Zerstörung der Netzhaut in den betroffenen Bereichen.

Was ist die Ursache ?

Häufigster Grund (95%) ist eine Embolie. Das bedeutet, ein kleines “Klümpchen” im Blut (ein Embolus) verstopft eine Arterie im Auge. Der Fachmann nennt das "thromboembolischen nichtarteriitischen Verschluss". Herkunft des Emolus ist entweder ein erkranktes Herz (25% der Fälle) mit Herzklappenfehlern bzw. Rhythmusstörungen (z.B. Vorhofflimmern) oder in 50% der Fälle Wandbeschichtungen (z.B. Cholesterin oder Kalk) der Halsgefäße (Arteria carotis), die sich lösen und mit dem Blut nach oben ins Auge geschwemmt werden und dort dann die Arterie verstopfen. Würden die “Klümpchen” übrigens nicht im Auge “hängen bleiben”, blieben sie letztendlich im Gehirn stecken und dies würde zu einem Schlaganfall führen. In den restlichen 5% der Fälle ist die Ursache eine Entzündung der Arterien (Arteriitis).

Der Netzhautarterienverschluß ist eine Erkrankung des älteren Erwachsenen und weist einen Häufigkeitsgipfel zwischen 65 und 70 Jahren auf. 90% der Patienten sind über 40 Jahre alt, Männer sind häufiger betroffen als Frauen (2/3 zu 1/3). Bei 90% der Patienten finden sich Risikofaktoren: Hoher Blutdruck (60-70%), Diabetes (25%), Verengung der Halsgefäße (20%), Herzveränderungen (50%).

Wie merke ich das ?

Plötzlich schiebt sich an einem Auge ein Vorhang vor einen Teil (Arterienastverschluß) oder das ganze Gesichtsfeld (Zentralarterienverschluß). Vor allem im letzteren Fall ist es “als wenn einer das Licht ausschaltet”. Der Vorgang ist schmerzlos und in der Regel dauerhaft. Das Sehvermögen ist stark eingeschränkt (meist unter 1%). Manchmal kann es sich mit der Zeit noch leicht verbessern.

Handelt es sich nur um eine kurzfristige Verstopfung, die sich nach 2 bis 30 Minuten wieder auflöst, spricht man von “Amaurosis fugax”. Letztere ist ein Warnsymptom für eine Schlaganfallgefährdung und ein Grund genauere Ursachenforschung zu betreiben. In 15% der Fälle trat diese schon einmal vor einem dauerhaften Verschluß von Netzhautarterien auf.

Wie wird das vom Arzt festgestellt ?

Durch das Hineinleuchten in das Auge - die Netzhautspiegelung - sieht der Augenarzt anhand typischer Veränderungen, daß die Netzhaut minderdurchblutet oder gar abgestorbenn ist. Mittels der Fluoreszenzangiographie sind die betroffenen Areale genau darstellbar. Im OCT kann man später den schichtweisen Zerstörungsprozeß genau zeigen. Die inneren Netzhautschichten, die von den Netzhautgefäßen versorgt werden, stellen sich - anders als sonst - dunkel dar (ischämische Bande). Die äußeren Schichten der Netzhaut werden ja von "hinten" durch die Aderhautgefäße versorgt und sind beim Netzhautgefäßverschluß nicht betroffen.

Bild eines Arterienastverschlusses: Der blasse hellgelbe Bereich ist im Bereich der feinsten Blutgefäße (Kapillaren) nicht mehr durchblutet, da die zuführenden Arterienäste verschlossen sind, während der rötliche Bereich noch normal durchblutet ist. Der Patient merkt, dass die Häfte des Bildes weg ist mit diesem Auge. (Das Bild wurde dem "Atlas of Ophthalmology" im Internet entnommen)

Was kann man tun ?

Bei Warnsymptomen wie der Amaurosis fugax, die Ursache finden und vorbeugen durch Behandlung derselben, wenn möglich. Das heißt, den Blutdruck einstellen, die Herzrhythmusstörungen behandeln, evt. das Blut verdünnen, evtl. die verstopften Halsgefäße frei operieren.

Ist der Verschluß dauerhaft, ist nur innerhalb von 48 Stunden manchmal noch etwas Sehvermögen zu retten, wenn der Verschluß nicht komplett war. Bereits 4,5 Stunden nach Zentralarterienverschluss entsteht eine ausgeprägter und irreversibler Sauerstoffmangelzustand (Ischämie) der inneren Netzhautschichten. Versuche mit einem Verschluß der Gefäße bis zu 105 Minuten hinterliessen hingegen noch keine Dauerschäden Eine sofortige Einlieferung in eine Augenklinik oder Augenstation ist daher notwendig. Dort wird der Druck im Auge medikamentös und operativ gesenkt, eine Massage des Auges durchgeführt, das Blut verdünnt (Hämodilution), die Gerinnung beeinflußt (Heparin/Aspirin) und spezielle Sauerstoffmischungen zum Atmen gegeben. Die Ergebnisse sind, was das Sehvermögen angeht, jedoch schlecht und echte wissenschaftliche Beweise, daß diese oder andere Therapien überhaupt helfen gibt es nicht. Vergleichbare neuere Therapien, wie die Einspritzung von Medikamenten bei den venösen Verschlüssen, gibt es nicht. Es hat Studien gegeben, die das Einspritzen von blutgerinselauflösenden Medikamenten (Lysetherapie) innerhalb einer Frist von maximal 4,5 Stunden nach dem Verschluß als hilfreich zeigten aber mit hohen Komplikationsraten verknüpft waren und daher auch nicht unbedingt empfehlenswert sind. Vorbeugung ist also oberstes Gebot.

Information im Internet:

Behandlung von Venenverschlüssen der Netzhaut

Leitlinie zum arteriellen Verschluß der Netzhaut

(Stand 03.04.2024)