Schlaganfall und Auge:

Was ist ein Schlaganfall ?

Der Schlaganfall (Hirninfarkt) ist eine plötzliche Beschädigung eines bestimmten Hirnteils durch eine Veränderung der Durchblutung. Dies kann entweder ein “blutiger (hämorrhagischer) Infarkt” sein, bei dem ein Blutgefäß reisst oder ein “unblutiger (ischämischer) Infarkt” (80%) sein, bei dem ein Blutgefäß seine Durchgängigkeit verliert (“verstopft”). Bei letzterem ist dann als Ursache noch ein Thrombus, sprich ein Blutgerinsel allgemeiner Ursache von einer zunehmenden Verkalkung (Arterioskleose) der Halsgefäße mit der Folge von gelösten "Bröckchen", die das Blutgefäß verstopfen, zu unterscheiden (s. Grafik unten). Als Ergebnis wird in all diesen Fällen der durch das betroffene Gefäß versorgte Hirnteil, aufgrund von Sauerstoffmangel, beschädigt. Näheres zum Sonderfall "Schlaganfall im Auge" siehe unten auf der Seite.

Schlaganfalltypen

Grafik Schlaganfalltypen: depositphotos.com

Wie häufig kommt das vor ?

Pro Jahr treten in Deutschland 200.000 erstmalige Schlaganfälle und 70.000 wiederholte Schlaganfälle (Rezidive) auf. 2,5 Prozent der erwachsenen Menschen in Deutschland hatten bereits einen Schlaganfall. Das ist jeder 40. Mensch in Deutschland. Der Schlaganfall ist weiterhin die dritthäufigste Todesursache in Deutschland (nach Herzinfarkt und Krebs). Weltweit sind Schlaganfälle sogar die zweithäufigste Todesursache und machen 6,6 Prozent aller Todesfälle aus. Innerhalb der ersten 30 Tage nach einem Schlaganfall versterben 6,8 Prozent der Betroffenen, nach 90 Tagen 9,4 Prozent und nach einem Jahr 17 Prozent. Fast jeder zweite Patient stirbt innerhalb von 5 Jahren nach einem ersten Schlaganfall. Jeder fünfte erleidet einen erneuten Schlaganfall innerhalb von 5 Jahren. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit, zu sterben, mit 49,6 % bei Frauen etwas höher als bei Männern (41,8 %). 15-30% der Überlebenden erleiden eine bleibende Behinderung und er ist damit die häufigste Ursache für dauerhafte Behinderungen im Alter und für Pflegebedürftigkeit. In den ersten drei Monaten sind 35,6 Prozent aller Betroffenen auf eine pflegerische Versorgung angewiesen. Ein Viertel der Betroffenen bleibt in erheblichem Umfang pflegebedürftig. Nach einem Schlaganfall weisen Betroffene ein 4,5-fach höheres Pflegerisiko auf.17

Eine Untersuchung in 32 europäischen Ländern aus dem Jahr 2017 zeigte 1,5 Millionen Betroffene, 9 Millionen lebten mit dauerhaften Folgen und 0,4 Millionen starben daran. Die Gesamtkosten betrugen 60 Milliarden Euro. Alarmierend sind vor allem die Zahlen bei den jüngeren Menschen unter 50. Hier hat sich die Zahl innerhalb von drei Jahren verdoppelt. Hinzu kommen außerdem die unentdeckten Fälle. Schätzungen besagen, dass der Anteil in der Bevölkerung etwa 14-Mal größer ist als der Anteil der diagnostizierten Fälle.

Die sozioökonomische Krankheitslast von Schlaganfällen nimmt weltweit aufgrund der steigenden Häufigkeit und den daraus resultierenden Folgebeschwerden (Behinderungen) zu. Die geschätzte globale wirtschaftliche Belastung durch Schlaganfälle beläuft sich derzeit auf über 891 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

Weiteres zur Statistik finden Sie auch HIER.

Wie kommt es dazu ?

Ursache sind meist vorgeschädigte Gefäße durch lange Zeit zu hohen Blutdruck und Arteriosklerose (“Gefäßwandverkalkung”) in Verbindung mit einer Blutdruckkrise (plötzlicher sehr hoher Blutdruck z.B. durch Aufregung) oder einem plötzlichen starken Blutdruckabfall (z.B. durch Herzschwäche). Auch eine Blutgerinnungsstörung bzw. ein kleines Blutgerinnsel mit der Folge der Verstopfung eines Gefäßes kann die Ursache sein. Häufig löst sich z.B. eine Verkalkung der Halsgefäße, wird ins Gehirn gepumpt und bleibt dort “stecken”. Auch Herzrhythmusstörungen, Herzfehler und die Zuckererkrankung können ursächlich sein. Nach einer Studie aus 2010 sind

die 5 häufigsten Risikofaktoren: Hoher Blutdruck, Übergewicht, Bewegungsmangel, Rauchen und Ernährungsfehler (sortiert nach abnehmender Häufigkeit).

Die nächsten 5 sind: Ungünstiger Blutfettspiegel, Alterszucker, Alkohol, Stress und Depressionen.

Was ist die Folge ?

Je nach dem welcher Hirnteil betroffen wird entstehen unterschiedliche Ausfälle. Am bekanntesten ist die Halbseitenlähmung (Hemiparese). Weniger bekannt sind plötzliche Sprachstörungen oder Sprachverständnisstörungen, sowie eine plötzliche Schwindelattacke. Weiterhin können typische Sehstörungen auftreten.

Schlaganfalll%C3%A4hmung

Gestürzter Patient mit Seitenlähmung: depositphotos.com

Wie macht sich das am Auge bemerkbar ?

Es entstehen typische Gesichtsfeldausfälle, d.h. man kann in bestimmten Bereichen nichts mehr sehen. Meist handelt es sich um Quadranten- oder Halbseitenausfälle (siehe Bilder). Möglich ist auch ein plötzliches Schielen mit Doppelbildern, weil die Muskeln des Auge durch die geschädigten Nerven nicht mehr richtig angesteuert werden. Sehr selten kann auch eine komplette Erblindung auftreten.

Normale Ansicht

So sieht man die Szene wie der Gesunde es sieht,

Halbseitenausfall

oben den Halbseitenausfall und unten den Quadrantenausfall.

Qadrantenausfall

Was sind die Folgen für den Alltag des Betroffenen ?

Würde der Gesichtsfeldausfall nur ein Auge betreffen, könnte das andere den Ausfall größtenteils ausgleichen. Leider sehen bei den Schäden durch den Schlaganfall beide (!) Augen so. Insofern nimmt man in diesen Bereichen nichts wahr. Dies bedeutet natürlich fehlende Fahrtauglichkeit im Strassenverkehr und zieht praktische Probleme im Alltag (Verletzungen, Herunterschmeißen von Gegenständen etc.) nach sich. Das Lesen ist z.B. bei einem rechtsseitigen Halbseitenausfall sehr schwer, da man immer die Zeile verliert und nicht erkennen kann wo es nach den gerade gesehenen Buchstaben weitergeht. Interessanter- und auch gefährlicherweise ist der Ausfall den Patienten nicht immer bewußt. Durch vermehrte Kopfbewegungen wird die fehlende Sicht teilweise ausgeglichen und erst Unfälle und Ungeschicklichkeiten im Alltag machen die Menschen in der Umgebung irgendwann darauf aufmerksam. Manchmal wird es auch falsch wahrgenommen. Viele Patienten mit einem Halbseitenausfall meinen, daß das auf der Seite des Ausfalls liegende Auge blind sei. Erst bei abwechselndem Zuhalten beider Augen fällt auf, daß der Defekt beide Augen betrifft.

Wieso sind denn beide Augen betroffen ?

Dies hat damit zu tun, daß jeweils eine Hirnhälfte für die Steuerung der anderen Körperseite zuständig ist. Also kontrolliert z.B. die linke Hirnhälfte die rechte Hand und auch alles was auf der rechten Seite zu sehen ist. Das ganze Bild der Umwelt wird zwar in beide Augen gespiegelt aber die Teile der Netzhaut in beiden Augen, die z.B. das auf der rechten Seite befindliche Bild verarbeiten, sind nur mit der linken Hirnhälfte verbunden (siehe Sehvorgang). Wird diese Hirnhälfte beschädigt, erkennen wir auf beiden Augen nach rechts nichts. Dies kann man an dem Ausdruck des beidäugigen Gesichtsfeldes auf der Seite über das Gesichtsfeld gut sehen.

Wird das wieder besser ?

Hier kommt es darauf an, wieviel des Gehirns zerstört (dann ist keine Besserung möglich) wurde und wieviel nur beschädigt (eine Besserung ist möglich) wurde. Der nur beschädigte Teil kann sich innerhalb von 3 Monaten erholen. Kleine Verbesserungen sind dann noch bis Ablauf eines Jahres möglich. Danach ändert sich nichts mehr und mögliche Restdefekte bleiben.

Was kann man tun ?

Zur Vorbeugung: Einen hohen Blutdruck, Diabetes, hohen Cholesterinspiegel und Herzrhythmusstörungen gut einstellen; Gefäßverkalkungen durch regelmäßigen Ausdauersport und Verminderung des Cholesterinspiegels gar nicht erst in diesem Ausmaß entstehen lassen; Gerinnungsstörungen medikamentös behandeln; evtl. Gefäßverengungen der Halsarterien operieren lassen etc.

Zur Behandlung: Beim sogenannten "Gesichtsfeldtraining" wird versucht den Bereich des Gesichtsfeldes, der aufgrund einer Beschädigung nicht funktioniert, wieder “auf Schwung zu bringen”. Aufwand und Ergebnis stehen aber leider nicht in sinnvollem Zusammenhang. Die zerstörten Areale können auch so nicht wiederbelebt werden. Ein anderer Ansatz ist ein Übender. Zum Beispiel durch vermehrte Augenbewegungen soll der nutzbare Teil des Gesichtsfeldes erhöht werden. Ein Beispiel ist das Sakkadentraining, wie es zum Beispiel auf der kommerziellen Seite Sakkadentrainer dargestellt und angeboten wird. Auch in Rehakliniken wird dieses z.B. als "Masserberger Training" angeboten. Im Rahmen der sogenannte neurooptischen Rehabilitation wird durch kompensatorisches Training und die Apassung von Hilfsmitteln versucht dem Patienten einen möglichst selbständigen Alltag und die Teilhabe am sozialen Miteinander zu ermöglichen und zu erhalten. Nähere Informationen auch bei der Blindeninstitutsstiftung bzw. Anfrage per email an beratungszentrum@blindeninstiut.de.

Link zu Selbsthilfegruppen: (www.schlaganfall-hilfe.de) Hier finden sich Aufklärungsfilme, einen Symptomtest und mehr.

Gibt es Warnzeichen vor dem Auftreten des Schlaganfalls ?

Leider nicht viele. Eines der typischen ist die Amaurosis fugax. Hinter diesem Zungenbrecher verbirgt sich das Phänomen, daß plötzlich für ungefähr 15 Minuten auf einem Auge alles schwarz wird und es sich dann komplett wieder erholt. Das kann sich durchaus über Jahre gelegentlich wiederholen, ehe es aufeinmal zu einem Schlaganfall kommt. Keine Angst, es MUSS auch kein Schlaganfall folgen ABER bei solchen Symptomen sollte man unbedingt sowohl zu einem Augenarzt als auch zu seinem Hausarzt gehen und das untersuchen lassen. Die häufigste Ursache einer Amaurosis fugax ist eine plötzliche starke Minderdurchblutung (Ischämie) der Netzhaut durch einen Verschluss der zuführenden Arterie (Arteria centralis retinae) zum Auge, aufgrund eines kleinen Gefäßverschlusses durch ein wie immer geartetes "Blutklümpchen (Mikroembolie). Da dieses sich jedoch - im Gegensatz zum dauerhaften Zentralarterienverschluß - wieder auflöst, "geht das Licht wieder an", sprich nach 15 Minuten sieht man wieder wie vorher. Sie ist aber nicht unbedingt nur ein Warnsymptom für einen drohenden Schlaganfall, auch andere Krankheiten (z.B. Kollagenosen, Blutgefäßentzündungen = Vaskulitiden) können dahinter stecken und insofern sollte vom Hausarzt unbedingt eine weiterführende Diagnostik ((Dopplersonographie, Echokardiographie, Rheumaserologie) durchgeführt werden.

Was ist denn ein "Minischlaganfall" bzw. eine TIA ?

Ein weiteres Warnzeichen für einen möglicherweise bald auftretenden Schlaganfall ist eine TIA. Dies ist die Abkürzung für eine transitorische ischämische Attacke, zu deutsch ein "vorübergehender Minderdurchblutungsanfall" im Gehirn, der leichte neurologische Ausfallerscheinungen wie Sehstörungen, Sprachstörungen oder Lähmungen hervorruft. Im Unterschied zu einem Schlaganfall geht eine TIA jedoch nach kurzer Zeit (meist wenige Minuten, selten Stunden) von selbst vorbei und hinterlässt keine bleibenden Schäden. Aus diesem Grund bezeichnen viele die TIA auch als "Mini-Schlaganfall". Wie bdeutsam die TIA als Warnsymptom ist, sieht man daran, daß bei etwa jedem fünften Schlaganfall zuvor eine TIA auftrat – und das meist relativ kurz davor: Etwa jeder Fünfte erleidet nach einer TIA innerhalb der folgenden 12 Monate einen Schlaganfall. Etwa jeder Achte bekommt nach einer TIA sogar innerhalb eines Monats einen Schlaganfall. Welche Symptome bei einer TIA auftreten, hängt davon ab, welcher Gehirnbereich von der Minderdurchblutung betroffen ist. Entsprechend der Region stellen sich unterschiedliche Beschwerden ein, wie zum Beispiel:

  • Muskelschwäche, Taubheitsgefühle, Missempfindungen oder Lähmungserscheinungen an einem Arm, einem Bein oder in einer Gesichtshälfte
  • Sprachstörungen, etwa in Form einer verwaschenen Sprache
  • Verwirrtheit und Probleme, Gesprochenes oder Gelesenes zu verstehen
  • Sehstörungen wie verschwommenes Sehen oder Doppelbilder
  • Schwindel oder Gleichgewichtsstörungen

Gibt es auch einen "Schlaganfall im Auge" ?

Der Begriff Schlaganfall ist eigentlich für den Hirninfarkt reserviert. Umgangssprachlich verwendet man ihn jedoch auch im Zusammenhang mit 2 Augenerkrankungen. Zum einen beim Verschluß einer Augenarterie und zum anderen beim "Schlaganfall" des Sehnervenkopfes .

(Stand 20.03.2024)